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Interview mit Sven Linnartz und Kai Kiefer

Aktuell kommen verstärkt partnerschaftliche Vertragsarten wie IPA (Integrierte Projektabwicklung) zum Einsatz. Schwerpunkt dieser Verträge sind eine ausgeglichene Risikoverteilung und ein frühzeitiger Planungsansatz unter Einbindung der Industrie. Welche Potenziale bieten diese Verträge und funktioniert dieser Ansatz auch mit konventionellen Vertragsarten? Dazu sprachen wir mit zwei Experten.

 

Herr Linnartz, Sie haben als Generalunternehmer kürzlich ein großes Bildungsbauprojekt erfolgreich abgeschlossen. Welche Herausforderungen gab es dabei?

Linnartz: Das Projekt umfasste eine Bestandssanierung und einen Neubau. Besonders der Bestandsbau erforderte umfangreiche statische Eingriffe. Der Nutzer musste dabei in eine Interimsanlage ausgelagert werden. Zudem blieb die Turnhalle in Betrieb, was bei der Bauablaufplanung berücksichtigt werden musste. Insgesamt war es ein sehr komplexes Projekt.

 

Sie wurden als externe Projektleitung von Auftraggeberseite eingesetzt, Herr Kiefer. Welche Strategie wurde mit dem Auftraggeber festgelegt?

Kiefer: Die Komplexität des Projekts war, wie von Herrn Linnartz erwähnt, erheblich. Eine tiefgehende Risikobewertung ergab insbesondere Risiken im Bestandsbau. Da das Interimsgebäude bereits für eine Folgenutzung vorgesehen war, hatte die Einhaltung des Fertigstellungstermins oberste Priorität. Deshalb war eine transparente und partnerschaftliche Umsetzung notwendig, die sich auf die konsequente Erbringung der Bauleistung und eine fortlaufende Identifizierung, Analyse und Bewertung der Projektrisiken konzentrierte.

 

Herr Linnartz, eine partnerschaftliche und transparente Projektstrategie sind doch gute Voraussetzungen, um ein solch komplexes Projekt umzusetzen, oder?

Linnartz: In der Tat. Die Praxis zeigt, dass solche Strategien vertraglich durchaus gut fassbar sind. Interessant ist jedoch, wie diese Strategien von den Parteien gelebt werden. Wir waren daher teilweise skeptisch, wie sich das Projekt entwickeln würde. Oft rücken Partnerschaft und Transparenz im Projektverlauf zugunsten gegenseitiger Anspruchssicherungen in den Hintergrund.

 

Herr Kiefer, wie räumt man solche Skepsis aus?

Kiefer: Eine ausgewogene Risikoverteilung im Vertrag, eine klare Kommunikation und ein ehrlicher Umgang mit Bieterfragen können bereits im Vergabeverfahren die Ernsthaftigkeit einer partnerschaftlichen Strategie signalisieren.

 

Eine bekannte Zeitung titelte zum besagten Projekt „…in Rekordzeit saniert und erweitert“. Wenn Sie das Projekt rekapitulieren, was waren die wesentlichen Stellschrauben, Herr Linnartz?

Linnartz: Zunächst muss erwähnt werden, dass eine aufwendige Kampfmittelsondierung den Bauablauf erheblich behinderte. Das war die erste große Bewehrungsprobe für alle Beteiligten. EY stellte kurzfristig die Projektorganisation um, sodass in einem eingerichteten Lenkungskreis regelmäßig tiefgehende Entscheidungen schnell getroffen werden konnten. Der Auftraggeber unterstützte bei Schnittstellen zur Verwaltung und zu den Versorgern. Um wertvolles Projektwissen von Anfang an zu nutzen, übernahmen wir teilweise Planer des Auftraggebers für die Leistungsphase 5, insbesondere bei umfassenden statischen Themen, was einen enormen Zeitvorteil bot. Wir konzentrierten uns auf den Bauablauf und konnten durch geschickte Umstellung und fairen Umgang mit unseren Subunternehmern den Betrieb der Baustelle aufrechterhalten. Der Verzug wurde über gezielte Beschleunigungsmaßnahmen wieder aufgeholt. Insgesamt beschleunigten wir das Projekt um sieben Monate.

 

Welche Auswirkungen hatte das auf die Kosten und die Qualität?

Kiefer: Keine Wesentlichen. Dank der Transparenz konnte man sich schnell und verbindlich auf alternative Ausführungsvarianten verständigen. Es zeigte sich ebenfalls, dass das sehr dezidierte Risikomanagement, welches konsequent über alle Projektstufen angewendet wurde, das Projekt budgettechnisch vollumfänglich absicherte.

 

Herr Linnartz, als Vorsitzender des Verbandsbezirks Köln der Bauindustrie sind Ihnen auch alternative Abwicklungsformen, wie die Integrierte Projektabwicklung (IPA) bekannt. Sind solche Abwicklungsformen vor dem Hintergrund dieses Erfolgsbeispiels überhaupt notwendig?

Linnartz: Wir erleben von Seiten der Bauindustrie häufig, dass Risiken einseitig auf die Vertragspartner abgewälzt werden. Im genannten Projekt war dies anders. Auftraggeber wiederum übersehen oft, dass in Angebotspreisen die massiven Risikoverschiebungen enthalten sind. In partnerschaftlichen Verträgen werden die Risiken in der Regel gleichmäßiger auf die Vertragsparteien verteilt, was wirtschaftlich positive Auswirkungen auf die Kalkulation haben kann. IPA-Verträge bieten hierzu neben den bekannteren Partnering-Verträgen ebenfalls Potenzial.

 

Erübrigt sich Projektmanagement durch einen partnerschaftlichen Ansatz wie IPA?

Kiefer: Auf keinen Fall. Partnerschaftlich bedeutet nicht frei von Konflikten. Bei Mehrparteienverträgen ist striktes Projektmanagement wichtiger denn je. Ausschreibung, Vergabe und Festlegung der Abwicklungsform sind entscheidend. Partnerschaftlich ausgerichtete Verträge müssen auch so gelebt werden können.

 

Sind die hohen Anforderungen an den Vertrag der Grund dafür, dass IPA-Verträge eher Ausnahme als Regel sind?

Linnartz: Auch IPA ist kein Allheilmittel. IPA macht Sinn bei sehr großen Projekten mit erheblicher Komplexität und Risikostreuung. Nicht jedes Großprojekt benötigt eine IPA-Abwicklungsform.

 

Worin liegen zusammenfassend die Vor- und Nachteile?

Kiefer: Positiv ist, dass IPA die Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten fördert, was zu besserer Kommunikation und gemeinsamen Zielverständnis führt. Stakeholder werden frühzeitig eingebunden, was Entscheidungen verbessert und Änderungen reduziert. Dies senkt Kostenüberschreitungen und Verzögerungen. Gemeinsame Verantwortung erhöht die Qualität der Arbeit. Risiken werden gerecht verteilt, was zu einem besseren partnerschaftlichen Umgang führt. Offene Kommunikation fördert zudem Innovationen und kreative Lösungen. Nachteile sind die hohe Komplexität der Koordination und Integration der Beteiligten sowie die aufwendige Vertragsgestaltung. Dies erfordert gute Organisation und Managementfähigkeiten. Hohe Anfangsinvestitionen und ein notwendiger Kulturwandel können ebenfalls Herausforderungen darstellen.